Essstörungen und

schwangerschaft

Das Körperbild

und dessen Veränderungen

Während der Schwangerschaft verändert sich der weibliche Körper, was sich am deutlichsten im Bauchbereich zeigt, und so zieht der sog. „Babybauch“ häufig auch die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf den eigenen Körper. Doch nicht immer gehen diese Veränderungen ausschließlich mit Freude einher. Vielmehr zeigen Studien, dass sich etwa jede vierte Schwangere Sorgen um ihr Gewicht und ihre Körperformen macht. Viele Frauen fühlen auch, dass sie wenig Kontrolle über diese Veränderungen haben („Mein Körper verändert sich, und ich kann nichts dagegen tun“).

Daher ist es wichtig, dass Frauenärztinnen und Frauenärzte mit Schwangeren offen über die Bedenken sprechen, die bezüglich der Veränderungen des Körpers während der Schwangerschaft auftreten können. Eine negative Körperwahrnehmung kann problematisches Essverhalten während der Schwangerschaft vorhersagen.

Vor und während der Schwangerschaft kann deswegen eine Abklärung durch die/den Frauenärzt:in dazu beitragen, Personen mit einem potenziellen Risiko für eine Essstörung zu identifizieren.

Einige schwangere Frauen mit Essstörungen berichten davon, sich wegen ihres veränderten Körpers schlecht zu fühlen und empfinden Panik, Stress und teilweise Hass gegenüber ihrem eigenen Körper.

„… meine Brüste veränderten sich zuerst und ich dachte automatisch ‚Oh Gott, ich werde dick‘. Es waren die ersten drei Monate, in denen sich der Körper zu verändern beginnt, aber nicht genug, um schwanger auszusehen. Man sieht also eher aus, als würde man dicker werden, als dass man schwanger ist. Das war emotional gesehen sehr schwierig.“

Einfluss auf das Wohlbefinden

Menschen mit Essstörungen wenden oft kompensatorische Strategien wie exzessiven Sport und selbst-herbeigeführtes Erbrechen, oder schränken Ihre Nahrungsaufnahme ein, um dem Gefühl, „dick“ zu werden und so wahrgenommen zu werden, entgegenzuwirken. Dabei entsteht oft eine Art „Tauziehen“ zwischen der eigenen Essstörung und der Verantwortung, die gegenüber dem ungeborenen Kind empfunden wird, das auf lebenswichtige Nährstoffe angewiesen ist. Dieser innere Kampf kann zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und zu gemischten Gefühlen gegenüber dem Kind führen.

„Ich wurde immer dicker und musste gegen die Stimmen ankämpfen, die mir sagten, dass ich die Kontrolle verloren hätte und für immer dick sein würde.”

„Ich merke, dass ich manchmal wütend auf das arme Kind in mir bin, das mich daran hindert, Sport zu treiben und so zu essen, wie ich möchte.”

Manche Frauen schaffen es, im späteren Teil der Schwangerschaft, in dem offensichtlich wird, dass sie „schwanger und nicht dick“ sind, ihren veränderten Körper doch noch zu akzeptieren oder zu lieben:

„Als ich schwanger war, hat es mir nichts ausgemacht, wie ich aussah… Ich habe mich wohler gefühlt, weil man einen Grund hat. Die Leute werden dich schwanger sehen und nicht denken ‚Oh mein Gott, sie ist wirklich fett‘, sie denken einfach, sie ist schwanger.”

Studien haben auch gezeigt, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper in der Schwangerschaft häufig mit dem Auftreten von Depressionen vor und nach der Geburt einhergeht.

Aber warum hat unser Körper und dessen Formen einen derart starken Einfluss auf die mentale Gesundheit?

Ein Grund dafür könnte die in unserer Gesellschaft weit verbreitete Gewichtsstigmatisierung (auch bekannt als „fat shaming“) sein. Die Gewichtsstigmatisierung beinhaltet negative Einstellungen und Vorurteile gegenüber Menschen mit Übergewicht. Diese Form der Stigmatisierung kann verschiedene Aspekte der Gesundheitsversorgung beeinflussen, etwa die Diagnose und Behandlung von Gesundheitsproblemen bei Menschen, die auf Grund ihres Körpers und Gewichts sich nicht trauen, Ärzt:innen aufzusuchen. Personen, die aufgrund ihres Gewichts diskriminiert werden, erleben oft eine Abnahme ihres Selbstwertgefühls und berichten von Scham- und Schuldgefühlen. Weitere mögliche Folgen sind die Entstehung von Angst vor Essen sowie übermäßige Diäten und exzessives Training – letztlich begünstigende Faktoren für das Auftreten von Essstörungen.

Schwangerschaft und essgestörtes Verhalten

Folgende Faktoren, von denen einige bereits weiter oben genannt wurden, können bei Schwangeren das (Wieder-)Auftreten oder die Verschlechterung von bestehenden Essstörungssymptomen begünstigen:

  • Intensiver Fokus auf Gewicht, Körpergröße und Ernährung
  • Heißhunger auf Nahrungsmittel -ein häufiges Phänomen in der Schwangerschaft
  • Starker Fokus auf „gesunde Ernährung“, was zu restriktivem Essverhalten führen kann
  • Wunsch nach Kontrolle über den Zustand der Schwangerschaft(bzw. erlebter Kontrollverlust)
  • Fehlende soziale Unterstützung, Gefühle der Isolation

Es gibt Hinweise aus Studien darauf, dass in der Schwangerschaft zwar Essstörungs-spezifische Gedanken zunehmen können, diese jedoch nicht in entsprechende Verhaltensweisen umgesetzt werden; dies könnte mit dem Gefühl der Verantwortung für das ungeborene Kind, insbesondere im letzten Schwangerschaftsdrittel, und einem gesteigerten Gefühl für die Sinnhaftigkeit der Schwangerschaft zusammenhängen.

Folgen von essgestörtem Verhalten auf den Verlauf der Schwangerschaft

Da mütterliche Essstörungen mit verschiedenen Schwangerschafts-Komplikationen im Zusammenhang stehen können, bestehen für das Ungeborene bedeutsame gesundheitliche Risiken, wie z.B.:

  • Fehl- und Frühgeburten
  • Erhöhte Raten für Kaiserschnitte
  • Entwicklungsverzögerungen

Im Sinne der Gesundheit sowohl der Schwangeren als auch des ungeborenen Kindes ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass die Behandelnden über Probleme mit dem Essen Bescheid wissen, diese im gesamten Schwangerschaftsverlauf aufs Neue evaluieren und somit ihren Patient:innen die bestmögliche Versorgung anbieten können.

Empfehlungen

Essstörungs-Interventionen während der Schwangerschaft können besonders effektiv und hilfreich sein, da sie eine gewisse Freiheit von dem Streben nach Schlankheit bieten. Der Fokus liegt stattdessen stärker auf der Bedeutung eines regelmäßigen, gesünderen Essverhaltens, das für Mutter und Kind gleichermaßen wichtig ist.

Besonders Frauen, die Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Ernährung haben, sollten nach Möglichkeit bereits in der Schwangerschaft eine Überweisung zu einer Ernährungsberatung oder entsprechenden Spezialist:innen angeboten bekommen. Neben der Aufklärung über die Nährstoffbedürfnisse von Mutter und Kind kann es hilfreich sein, offen und wertfrei über die Bedeutung der Gewichtszunahme in der Schwangerschaft zu sprechen. Gemeinsam mit den betreuenden Personen (z.B. Frauenärzt:innen, Hebammen) erreichbare Pläne zu entwickeln, kann dabei helfen, sich besser auf die körperlichen Veränderungen einzustellen und eine positive(re) Einstellung zur Gewichtszunahme zu entwickeln.

Nach der Entbindung sollte das Betreuungsteam sensibel auf Anzeichen für postnatale Depressionen und/oder mögliche Rückfälle in eine Essstörung achten. Vielen Betroffenen fällt es schwer, über ihre Schwierigkeiten mit dem Körperbild und der Ernährung zu sprechen, da sie oft mit Schamgefühlen zu tun haben. Gerade deshalb ist es hilfreich, wenn die betreuenden Personen und auch das enge persönliche Umfeld einfühlsam und verständnisvoll sind und Müttern einen sicheren Raum bieten, um ihre Gefühle und Bedenken auszudrücken und gegebenenfalls um Hilfe zu bitten.

Besonderes Augenmerk sollte auf das Wachstum von Neugeborenen von Frauen mit (aktueller oder vergangener) Essstörung gelegt werden. Da der Nährstoffbedarf während des Stillens höher ist als während der Schwangerschaft, kann es sinnvoll sein, gemeinsam mit dem Betreuungsteam zu überlegen, wie die eigene Ernährung trotz und mit Schwierigkeiten aufgrund der Essstörung ausgewogen gestaltet werden kann. Eine Ernährungsberatung, die auch die Bedürfnisse des Säuglings berücksichtigt, kann dabei unterstützen. Eine solche Beratung durch Fachpersonen kann zusätzlich die Beziehung zwischen den Eltern entlasten, da die Bewertung dessen, was das richtige Essen für das Kind ist, ansonsten oft den Partner:innen von Müttern mit Essstörungen überlassen wird.

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